18 Dezember 2009

Inkarnation

Als alles still war und ruhte und eben Mitternacht war,
fuhr dein allmächtiges Wort vom Himmel
herab, vom königlichen Thron.
(Weisheit Salomos 18, 14.15)

Die Mitternacht hat ein Geheimnis. Alle Jahre bedaure ich es wieder, wenn der Spätgottesdienst nicht diese Stunde erreicht. Ein Zauber liegt darin, dass mit dem Anbruch des Geburtstagsfestes Christi zur Stunde Null des Ersten Christtags die Nacht zu schwinden beginnt, der Tag anbricht.

Dabei wird in der Fluchtlinie von Bethlehem nicht dem natürlichen Zeitlauf jene Kraft zugesprochen, die vom Tod zum Leben führt: Der Ausweg aus der Dunkelheit, wenngleich zur rechten Zeit „als alles still war und eben Mitternacht war“ wird doch diesem kaum zu beschreibenden, nie zu begreifenden, dem flüchtigen und doch schöpferischen Wort zugesprochen, und damit ganz in die Hand Gottes gestellt.

Am Ende des Wahljahrs 2009 erhoffe ich mir neue Impulse von diesem Wort.
  • „Mitternacht“, das ist das Gefühl, es würde sich nichts mehr bewegen.
  • „Als Alles still war“, das erinnert mich an Erstarrung, an die Ruhe vor dem Sturm.
  • „Ruhe zur Mitternacht“ bedeutet für mich: Das Morgengrauen steht kurz bevor, und ein neuer Tag weckt die Hoffnung auf ein nie Gekanntes, Ungeahntes. Weihnachten und Auferstehung, Neuschöpfung und Ostern rücken nahe zueinander. Das ermutigt mich, das gibt mir Kraft.
Schöpfung aus dem Nichts, das ist die Energie der Utopie. Häufig verspottet, durch vielfältigen Missbrauch in Misskredit, ist das Wort Gottes die einzige Orientierung, die wir als Christen anzubieten haben. Darüber kann uns keine Routine und keine religiöse Tradition hinweg täuschen. Weihnachten bietet uns den Durchblick durch den Mythos zu dem lebensbewältigenden Wort.