07 Mai 2010

Gebet und Respekt - was Politiker denken

„Das Gebet ist die stärkste Macht, die wir als Christen ins Feld führen können“ – so die Überzeugung des SPD-Politikers Gerhard Nelius, der im ökumenischen Männertreff der Waldstadt – zu dem immer auch Frauen kommen – seinen Vortrag über die Gerechtigkeits-Tradition in Bibel und Politik hielt. Seit 1972 ist Gerhard Nelius in der SPD (Anlass war damals die Diskussion um den Schüler-BaFöG), seit 1983 wurde er Kirchengemeinderat, ein Jahr später zum Stadtrat gewählt; 2006 übernahm er ein Mandat im Landtag. Sein stärkstes Motiv entnimmt er einem prophetischen Text aus dem Jeremia-Buch: „Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie.“ Die Christen beteten für Nero, der sie verfolgte; Jesus betete gar für den Verräter.

Überschrieben hatte er das Herz seines Vortrags mit dem Motto „Anfechtungen und Hoffnungen“. Die größte Anfechtung eines Politikers sei es, die Religion als Stimmenfang zu benützen. Die Tendenz, den politischen Gegner in der Öffentlichkeit schlecht zu machen sei eines der Probleme. Andererseits erfahre auch der Politiker durch den Glauben Entlastung: Wenn du mit Gott rechnest, relativiert dies dein eigenes Handeln.
Die religiösen Wurzeln der SPD ordnete Nelius dem religiösen Sozialismus zu, der 1926 vom Pforzheimer Pfarrer Eckert in Meersburg begründet wurde. Bekannte Theologen wie Paul Tillich hätten sich dieser Bewegung zugeordnet. Im Godesberger Programm, das in seiner Jugendzeit in der SPD gültig war, sei ein gutes Verhältnis zu den christlichen Kirchen zu erkennen gewesen. Auch heute gebe es in der SPD den Bietigheimer Tag, an dem jedes Jahr das Gespräch zwischen evangelischer Kirche und Sozialdemokratie gepflegt werde.

Das letzte Referat im Rahmen des ökumenischen Männertreffs hielt Christine Denz. Ihr Thema: „Schöpfung bewahren – die religiösen Wurzeln der Grünen“. Die Kommunalpolitikerin, die 2009 auch für den Bundestag kandidiert hatte, erlebte ihre politische „Bekehrung“ 1986 nach der Katastrophe von Tschernobyl. Die biblischen Begriffe Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung sind ihr weltweiter Zusammenklang sind ihr persönliches Leitmotiv. In diesem Dreiklang aus dem konziliaren Prozess der 1980er Jahre lägen auch die religiösen Wurzeln der Grünen.

Als Pädagogin liegt ihr die Gerechtigkeit im Schulsystem am Herzen; die Grundschule müsse aufgewertet, gleiche Startchancen für alle Menschen gegeben werden. Zur Gerechtigkeit gehöre für ihre Partei auch die Emanzipation der Frau. Aufgabe der Politik sei es, Menschen in ihrer Verschiedenheit Gehör zu verschaffen und Wege zu finden, wie allen Anliegen Gerechtigkeit widerfahre. So lehnte sie eine einseitige Betonung der Abtreibungsfrage ab, zeigte jedoch großes Verständnis für Menschen, die sich gegen die Tötung anderer Menschen engagieren: Die Lebensbedingungen müssten auf allen Ebenen verbessert werden.
Als junge Frau ließ sich Frau Denz in das Leben einer christlichen Gemeinde einbinden. Sie fand dort glaubwürdige Vorbilder. Dennoch hat sie schmerzlich weibliche Vorbilder in der Bibel und im kirchlichen Leben vermisst; den Rückzug von Margot Käßmann bedauert sie sehr. Vor allem meint sie, Kirche müsse sich gesellschaftlich und politisch mehr einmischen.

Die Reihe des Ökumenischen Männertreffs wird abgeschlossen mit einem Gesprächsgottesdienst am Sonntag nach dem internationalen Tag der Arbeit. Mitgebrachte Speisen der Teilnehmer ermöglichen es, nach dem Gottesdienst im Gemeindezentrum zu verweilen und die Anregungen des diesjährigen Männertreffs weiter zu bedenken. Beginn ist am 2. Mai in der Waldstadt um 10.30 Uhr.