21 März 2009

Den Hohenpriester Jesus kenne ich aus meine Kindheit. Unser Pastor sprach regelmäßig das Wort vom „großen Hirten der Schafe“ (Heb. 13, 20) zur Verabschiedung der Gemeinde. Nach dem Abendmahl sangen wir Offenbarung 1, 5-6 in der Vertonung von Julius Löwen: „Dem der uns liebt und uns von unsern Sünden gewaschen hat in seinem Blut und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater.“

In meinem theologischen Studium erlebte ich eine Abspaltung dieser Bildwelt. Ich las davon, dass kultisches Denken schon bei Irenäus einen Rückfall in einen vorchristlichen Status darstellt, gleichzeitig aber erlebte und las ich pietistische Predigten, die mit Nachdruck auf die Beutung des blutigen Opfers Jesu hinwiesen. Schnell wachsenden pfingstlich-cha­ris­ma­ti­schen Kirchen halten weltweit an Einsichten fest, die die universitäre Exegese überwunden zu haben meint. Derart auseinanderklaffende Denkwelten auszustehen, lernte ich durch den Deutungsmusteransatz in der Erwachsenenbildung.

Sigrid Brandt spricht in ihrer Heidelberger Habilitationsschrift von 2001 von einer modernen Konstruktion des Opferdenkens durch die Mediengesellschaft: „Die Vermittlung und der Konsum von Opferbildern erfüllt … kultische Funktionen“, laden sie konsumerisch und religiös auf „und sei es nur im Spiel“. Sie setzt dem die Rede von der Liebe Gottes entgegen und unterscheidet (mit Paulus) zwischen Opfer als sacrifice und Opfer als victim: „Das ‚Opfer’ Christi meint nicht in erster Linie Jesu Victimisierung, sondern seine leibliche (Verkündigungs-)Existenz für den Glauben der Menschen.“ (13)

Sie stützt sich zentral auf den Hebräerbrief und versteht unter dem Opfer Christi den ganzen Lebensprozess, der mit Weihnachten beginnt, seine gesamte irdische Existenz umgreift, und sich mit der „hohepriesterlichen“ Eingang in das Himmlische Heiligtum vollendet. Das Leben Jesu wird so „zum Kommunikationsorgan des befreienden Geistes Gottes“(440) Opfer bringen „überwiegend den heilvollen Zusammenhang (1) des Lebens der Menschen aus, durch und für Gott und (2) des „Lebens“ Gottes bzw. seines Namens aus, durch und für die Menschen zur Sprache.“

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