08 August 2014

Kirchengeschichten: "... wie durch einen SPIEGEL"? Gegen ein meinungss...

Kirchengeschichten: "... wie durch einen SPIEGEL"? Gegen ein meinungss...: (c) SPON/spiegel.de In einem kürzlich auf SPON erschienenen Kommentar hält Frank Patalong ein Plädoyer für eine Trennung von Kirche un...

06 Juni 2014

boldern - Bolderntexte

boldern - Bolderntexte

Gab es nicht auch Situationen, in denen Gottes Göttlichkeit in Frage gestellt war? Vom Volk damals? Gibt es auch bei uns Phasen «verwirrten Sinnes» ...

10 Februar 2012


Kirchliche Heimat stiftet Identität.

Pfarrer Richard Lallathin war der erste Referent im ökumenischen Gesprächskreis der Waldstadt am vergangenen Mittwochabend. Er sprach über seine kirchliche Beheimatung – in seinem Fall in der evangelischen: Eine Stärke der Landeskirche sei die starke Bindungskraft zur örtlichen Gemeinde. Aufgewachsen in einer Diaspora erlebte er in der Heimatgemeinde einen starken Zusammenhalt. Das gelte für katholische Gemeinden ebenso wie für seine evangelische Landeskirche, berichtete er mit Verweis auf das katholische Eichsfeld in Thüringen, wo die Menschen ihre Frömmigkeit auch unter schwierigen politischen Bedingungen durchgehalten hätten.

Das Dilemma der Kirche sei die von ihr begründete Freiheit: der Verzicht auf Bevormundung und moralischen Rigorismus schwäche den Zusammenhalt einer Gemeinde, aber „vom Evangelium her können wir nicht anders“. Eine volkskirchliche Orientierung grenze sich nicht ab gegen die Böse Welt, sondern der Glaube helfe zur Beheimatung in dieser Welt. In ihrer Offenheit sah Lallathin aber auch eine Stärke der großen Kirchen. Sie könne die Zeichen der Zeit wahrnehmen ohne Anpassung an den Zeitgeist.

Freilich könne man heute über manche Kleinigkeiten nur noch schmunzeln, etwa wenn man den Wechselgesang der katholischen, das leere Kreuz hingegen der evangelischen Kirche zuordne. Identität sei weniger über solche äußerlichen Merkmale als über die Erfahrung von Gemeinschaft zu finden. Kirche habe heute kein Monopol der Gemeinschaftsstiftung mehr; das sei jedoch eine Gelegenheit, sich neu auf ihre Kernkompetenzen zu besinnen, die er mit den beiden Begriffen „Frömmigkeit und Prophetie“ umschrieb.

Inhaltliche Fragen begründen nach Ansicht des Referenten ebenfalls die Unterschiede zwischen den Kirchen. In Fragen der Sexualethik, der Haltung zu Evolutionstheorie und Naturwissenschaft sowie in der Auslegung der Heiligen Schrift seien die Landeskirchen freier als die sogenannten freien Gemeinden. Ein wesentlicher Unterschied liege jedoch vor allem im Territorialprinzip: Hier wirst du hineingeboren, lebst in der Nachbarschaft mit Menschen die du dir nicht ausgewählt hast.

Gegen den Trend, auch in religiösen Fragen sich dem Markt zu öffnen und – was auch einige der Teilnehmer mit Sympathie berichteten – Kirche nach Sympathie und Gesinnungsgenossenschaft auszusuchen, setzte Richard Lallathin als leitender Geistlicher der Johannes-Diakonie das aktuelle Bemühen, in Politik und Gesellschaft den sozialen Nahbereich, die Nachbarschaft und den „Ort“ wieder verstärkt in den Blick zu nehmen: wieder vor Ort zusammen zu leben. Inklusion statt Ghettobildung sei nicht nur eine Frage der Gesellschaft, sondern auch eine Aufgabe von Kirche. Konkret genannt wurden Wohngruppen von Behinderten, aber auch neue Tendenzen in der Seniorenarbeit. „Das Leben vor Ort bekommt wieder eine neue Bedeutung: Da, wo Menschen leben, sollen sie als zivilgesellschaftliche Akteure soziale Kontakte pflegen.“

12 September 2011

"Vernunft annehmen" - meine Predigt zum 11. September

Wohlan, es ist noch eine kleine Weile, so soll der Libanon fruchtbares Land werden, und was jetzt fruchtbares Land ist, soll wie ein Wald werden. Zu der Zeit werden die Tauben hören die Worte des Buches, und die Augen der Blinden werden aus Dunkel und Finsternis sehen; und die Elenden werden wieder Freude haben am HERRN, und die Ärmsten unter den Menschen werden fröhlich sein in dem Heiligen Israels. Denn es wird ein Ende haben mit den Tyrannen und mit den Spöttern aus sein, und es werden vertilgt werden alle, die darauf aus sind, Unheil anzurichten, welche die Leute schuldig sprechen vor Gericht und stellen dem nach, der sie zurechtweist im Tor, und beugen durch Lügen das Recht des Unschuldigen. Darum spricht der HERR, der Abraham erlöst hat, zum Hause Jakob: Jakob soll nicht mehr beschämt dastehen, und sein Antlitz soll nicht mehr erblassen. Denn wenn sie sehen werden die Werke meiner Hände - seine Kinder - in ihrer Mitte, werden sie meinen Namen heiligen; sie werden den Heiligen Jakobs heiligen und den Gott Israels fürchten. Und die, welche irren in ihrem Geist, werden Verstand annehmen, und die, welche murren, werden sich belehren lassen.  (Jesaja 29, 17 – 24)
Liebe Schwester und Brüder, es ist

I.             Nur noch eine kleine Weile.


Jetzt schon zeichnet sich die Wende ab.
Das ist die Sprache der Hoffnung:

Was wir heute tun, trägt schon das Kleid von morgen. Nicht nur „dann“ werden Taube hörend und Blinden sehen aus Dunkel und Finsternis; wir haben schon jetzt das Gefühl, dass die Dunkelheit weicht.
Und obwohl wir uns immer noch zagend vorwärts tasten, tun wir dies mit ausgesprochenem Mut und ohne gesenkten Blick.

Das ist eine besondere Zeiterfahrung: Die Wende zeichnet sich ab.Das Heil ist nicht mehr weit.
Es reicht in unsere Zeit,
wirft seine Schatten - nein, keine Schatten! ein Lichtstrahl geht ihm voraus.

Dieses „nur noch eine kleine Weile“ klingt ein wenig so wie die Erfahrung alter und lebenssatter Menschen, denen schon geläufig wurde, dass das Leben kurz ist, die Zeit wie im Flug zerrinnt.
Zeit scheint keine feste Größe zu sein: Zeit wird erlebt, und je nach den Umständen
erscheint sie schnell oder langweilig.
„nur noch eine kurze Zeit“ – das klingt wie kurz vor einem Fest:
Jetzt geht’s nicht mehr lange.
Bald wird dein Geburtstag sein.
Bald stellen sich die Sommerferien ein; Einschulung; Erntedank; Weihnachten.

Ja, mehr noch: Deine Zeit ist Gottes Zeit.
Er ist es      
der deine Stunden zählt
und der um die Missstände des Lebens weiß:
er ist es      
der Vertrocknetes zum Blühen bringt,
in der Steppe Gras wachsen lässt und Blüten,
in der Langeweile Freude.

„nicht mehr lange“ – dann ist auch der Selbstzweifel und die Angst vor dem Fremden vorüber, Einsamkeit verfliegt und Gemeinschaft wächst erneut.
„nicht mehr lange“, so lautet auch das Hoffnungswort im Alter:
Menschen erwarten den erlösenden Tod.

„nicht mehr lange“, doppeldeutig freilich, aber voller Hoffnung.

II.       Der 11. September 2001

war ein Wendepunkt der Geschichte.

Und keine Wende zum Guten.

Neue Feindbilder, die längst besiegt schienen, tauchten wieder auf. Vielleicht war es die jahrhundertealte Türkenangst. Vielleicht auch das Schlechte Gewissen ehemaliger Kolonialherren gegenüber einer aufbrechenden Zivilisation im Süden. Es gab da ein paar geistige Väter: Samuel Huntington, Peter Scholl-Latour.
Ihre Kassandra-Rufe
bereiteten
im Verhallen
den Boden für die Saat,
die mit dem Schrecken vom 11. September aufging.

Eine Fülle von Spekulationen hat er ausgelöst,
eine Fülle von Aggressionen, Unheil und Lügengespinsten.
Und die Tyrannei ist nicht weniger geworden in der Welt.
Genau wie es der Prophet beschreibt
im 29 Kapitel des Jesajabuchs.

Unser Vertrauen in die Demokratie wird in einem Ausmaß auf die Probe gestellt, wie dies seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr der Fall gewesen ist. Immer leiser wird der Protest und immer massiver werden Bürgerrechte eingeschränkt mit dem Hinweis auf die Bekämpfung des Terrorismus. Darunter leidet auch die parlamentarische Demokratie, die Herrschaft der Vernünftigen weicht der Herrschaft der Angst.

Und die Tatsache, dass religiös begründeter Fanatismus bei jenem Attentat mit im Spiel gewesen ist, lässt in unserer Gesellschaft den militanten Atheismus aufblühen, der nicht nur den Islam kritisiert, sondern auch die eigene christliche Tradition mit Spott überzieht.

III.          Opfer auf allen Seiten

Ich persönlich war am Tag zuvor ins Krankenhaus eingeliefert worden.
Gegen 15 Uhr ging ein Lauffeuer durch die Flure:
Schaltet den Fernseher ein!

Meine erste Reaktion war: Das ist der Turmbau von Babylon.
Da hat jemand auf moderne Weise jene Geschichte nachgestellt,
die zu den Urgeschichten Israels gehört;
die der Koran scheinbar gar nicht kennt.

Die Kraft der Bilder, die dann stunden- und tagelang im Fernseher wiederholt worden sind, als Ausdruck ratloser Wiederkehr, schaltete sich in unsere Hirne ein, in unser Unterbewusstes. Bald schon begleitet von der Höhenangst beim Anblick der Menschen, die aus den Fenstern in den Tod sprangen, der Phantasie von ausweglosen Treppenhaus-Labyrinthen, Feuersbrunst in Aufzugschächten. Angst brannte sich in die Seelen auch jener, die nicht direkt betroffen waren.

Unsere erste Reaktion war „Beten“.
Bis ich aus dem Krankenhaus nach Hause kam, hatte unsere Gemeinde bereits ein Ritual eingerichtet: Man traf sich reihum in der katholischen, der evangelischen Kirche und in der Moschee. Jeder betete auf seine Weise. Ob es derselbe Gott war, können wir nicht sagen. Das Gebet der Muslime aber war ebenso klagend und friedensstiftend wie das Ritual der Katholiken und das freie Beten der Christen. Und wer bei uns in die Kirche kam, zollte dem Vater Unser ebenso Respekt wie wir vom Glaubensbekenntnis beeindruckt waren.
Es war die Hochzeit des Christlich-Islamischen Vereins am Hochrhein. Und nicht nur dort, auch in Mannheim, in Pforzheim und in Berlin haben Gespräche stattgefunden. Der Rabbiner Gérald Rosenfeld aus Lothringen hat dieser Tage den Prozess der Annäherung so beschrieben: „Der Dialog ist die einzig tragfähige Möglichkeit der Auseinandersetzung zwischen den Religionen.“

Wir erfuhren, wie bei uns Muslime geächtet,
gewissermaßen in Sippenhaft genommen wurden.
„Ich traue mich nicht mehr auf die Straße“, meinte wenige Wochen nach den Anschlägen eine unserer türkischen Mitbürgerinnen.

Tausendfältig waren die Opfer:
in den Türmen und in den Flugzeugen,
im Irak und in Afghanistan,
in Guantanamo, in Madrid und London


auf vielfache Weise hinterhältig waren die Täter:
welche die Flugzeuge steuerten,
die im Weißen Haus in Washington sitzen und
die den Terror und die militärischen Operationen steuern.

Auch die Erschießung Osama bin Ladens hatte mit dem Geist des Rechtsstaats nichts zu tun, sondern sehr viel mit der Befriedigung der eigenen Rache.
Hans Magnus Enzensberger schrieb in unter der Überschrift
„Schreckens Männer. Versuch über den radikalen Verlierer“:
„Der einzige Ausweg aus dem Dilemma ist die Fusion von Zerstörung und Selbstzerstörung, Aggression und Autoaggression. Einerseits erlebt der Verlierer im Moment seiner Explosion eine einmalige Machtfülle. Seine Tat ermöglicht es ihm, über andere zu triumphieren, indem er sie vernichtet. Andererseits trägt er der Kehrseite dieses Machtgefühls, dem Verdacht, dass sein Dasein wertlos sein könnte, dadurch Rechnung, dass er ihm ein Ende macht.“
Wer meint, er könne selbst Gott spielen, um Gottes Gerechtigkeit und sein Reich zu erzwingen, der wird zum Opfer seiner eigenen Taten. Aber auch die Rachedurstigen, die das Recht außer Kraft setzen, die Folter beispielsweise zulassen und mit vorgetäuschten Gründen Krieg führen, erleiden am Ende die Folgen ihrer Taten: hochverschuldete Staatsfinanzen, unzählige getötete Zivilisten im Irak und in Afghanistan, traumatisierte Soldaten und kein Ende des Terrors. Alle Beteiligten wissen, dass der Krieg gegen den Terrorismus militärisch nicht zu gewinnen ist. Deshalb ist der Blickwechsel, den der Prophet entwirft, so nötig.

IV.         Verstand annehmen


Zehn Jahre lang hat sich das Blatt jetzt hin und her gewendet; Religion war immer mit im Spiel: Nicht immer mit ihrer besten Seite, aber auch.

Prophetisch klingt für mich ein Wort des Berliner Pfarrer und Theologe Ernst Lange - er starb schon 1974: „Religion ist die Energie der Menschlichkeit.“

„Religion ist die Energie der Menschlichkeit.“ Das prophetische Wort aus dem Jesajabuch kann wieder Raum schaffen für Einsicht und Vernunft, wie es dem Volk Israel ausgerechnet in einer Zeit großer Bedrängnis verheißen worden ist.

Wer nur auf die Terrorgefahr blickt, dem werden wohl Vernunft und Einsicht, Lebensweisheit und politische Klugheit verloren gehen. Die Hinwendung zu Gott und seiner Weisung entzünden die Hoffnung, dass der Wahnsinn nur noch eine kleine Weile andauern wird. Im Glauben finden  wir schon jetzt den Blickwechsel, der ein Trost ist für die Blinden und die Tauben.

„Bei Trost sein“ ist eine Wirkung dieses veränderten Blicks, damit die verrückten Bilder der Zerstörung vom 11.9.2001 aus New York nicht die Signatur dieser Zeit bleiben.

V.          Finale[1]


„Es kann nicht mehr lange dauern, da werden die Menschen sich nicht mehr bedroht fühlen, wenn sie in Hochhäusern arbeiten, in U-Bahnen oder Flugzeuge einsteigen. Sie werden sicher leben. Die großen Städte werden zu Orten der Begegnung und der Verständigung. Keine und keiner wird ausgegrenzt und an den Rand gedrängt. Die Tauben werden Gottes Weisung zum Leben hören und die Blinden, deren Augen von Hass und Rache verdunkelt sind, werden endlich sehen. Die Armen werden sich freuen, weil Gott ihnen zu ihrem Recht verhilft und auch für die ärmsten Länder wie Afghanistan oder Pakistan endlich eine hoffnungsvolle soziale Zukunft sichtbar wird. Der Aberglaube der militärischen Lösungen des Terrors wird zu Ende sein. Wie die orientalischen Despoten in der arabischen Welt werden auch die anderen Diktatoren verschwinden. Die Medien werden über erfolgreiche Friedensinitiativen berichten statt über die Opfer von Selbstmordanschlägen. Die politischen und sozialen Ursachen des Terrorismus werden gezielt beseitigt. Die Folter, die jedem Verständnis des Rechtsstaates widerspricht, wird es nicht mehr geben. Gefängnisse wie Guatanamo oder Abu Ghraib werden endgültig der Vergangenheit angehören, weil sie das Recht, das auch dem Rechtsverletzer gilt, verhöhnen. Profit- und Machtinteressen, die das Recht beugen, werden in ihre Schranken gewiesen. Die Welt wird sich an den Weisungen Gottes ausrichten, weil sie erkennt, dass es nur auf diesem Weg Leben und Hoffnung gibt. Sie muss nicht mehr erbleichen noch sich schämen, wenn sie die täglichen Schreckensmeldungen hört. Als „gute Schöpfung“ wird gesehen, was beschädigt und verletzt, zerstört und verwahrlost wurde. Die verwirrten Geister, die meinten, sie könnten eindeutig zwischen Gut und Böse unterscheiden werden Einsicht zeigen; die von der „Achse des Bösen“ sprachen, erkennen dass dies eine schreckliche Anmaßung war. Die Besserwisser, die Rechthaber und Dauernörgler werden zur Vernunft kommen: sie werden nach Zielen fragen, die erreichbar sind und die Lage der Armen und Rechtlosen tatsächlich verbessern. Gott selbst weist sie auf diesen Weg.“

Amen.




[1] direktes Zitat von Werner Schneider-Quindeau; andere Passagen dieser Predigt wurden von seiner Predigthilfe angeregt, teilweise auch übernommen aus: Gottesdienstentwurf Zentrum Ökumene.

12 Juni 2011

Pfingstpredigt

Johannes 16,5-15


Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat;
und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin?
Doch weil ich das zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer.
Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe.
Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch.
Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.
Und wenn er kommt,
wird er der Welt die Augen auftun
über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht;
§        über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben;
§        über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht;
§        über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.
Ich habe euch noch viel zu sagen;
aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen.
Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird,
wird er euch in alle Wahrheit leiten.
Denn er wird nicht aus sich selber reden;
sondern was er hören wird, das wird er reden,
und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.
Er wird mich verherrlichen;
denn von dem Meinen wird er's nehmen und euch verkündigen.
Alles, was der Vater hat, das ist mein.
Darum habe ich gesagt: Er wird's von dem Meinen nehmen und euch verkündigen.

Liebe Schwestern und Brüder,

das ist das Wunder von Pfingsten, das ich jedes Jahr
meinen Kindern in der Schule erzähle.
Zuvor waren sie noch eingeschlossen,
eingeigelt: die ganze Nacht;
aber am Morgen überkommt sie dieses eigentümliche Rauschen,
wir sprechen ja auch von Begeisterung, als wäre
es so etwas wie ein Rausch.

Als Petrus aus dem Haus tritt, ist die Depression vorüber.
Es fällt von ihm ab -
vielleicht sogar genau in diesem Moment.
Zumindest wird es ihm da bewusst.
Und zugleich spürt er,
was vorher gewesen ist:
spürt den Unterschied.
Merkt es an der Veränderung, die ihn jetzt ergreift.

Und man sieht es ihm an,
objektiv.
Offensichtlich:
spürt man ihm ab - wie er sprüht.
Und wie das Wunder geschieht:
Dreitausend auf einmal ließen sich taufen.

Der Geburtstag der Kirche geht auf drei Erfahrungen zurück.
Der Geburtstag der Kirche antwortet auf eine vierfache Not.
Der Geburtstag der Kirche öffnet die Türen - endgültig.

Sprechen wir von den drei Erfahrungen:

§        Wir erleben, dass Menschen freveln, obwohl seit Golgatha die Sünde besiegt ist.
§        Das Gefühl der Gottverlassenheit bleibt, obwohl Jesus auferstanden ist. Und
§        Es scheint immer noch so, als würde die Welt von einem Andern regiert.

Und die vierfache Not:

§        Beim Frevel spricht man von Frivolität - das ist die erste Not.
§        Das Gefühl der Gottverlassenheit ist die zweite Not.
§        Und diese ständige Fremdbestimmung. Du bist angewiesen auf Gutachter
in der Politik, in der Technik, ja sogar im persönlichen Leben:
es kommt darauf an, was dein Arzt dir rät,
dein Ehepartner, und wenn du alt wirst deine Kinder.
Es muss gar nicht der Teufel sein; aber dein Leben ist mindestens zur Hälfte fremdbestimmt.

§        Und wenn du einen Ausweg suchst:
Egal wie du es drehst und wendest: Du bleibst auf die Hilfe Gottes angewiesen.
Das ist die vierte Not: Du willst dein Leben in die eigene Hand nehmen,
und bleibst doch letztlich hilflos.

Wir haben es beim letzten Abendspaziergang gespürt, beim Männertreff:
Da sind zwar gute Ansätze, aber werden sie nicht schön gerechnet, schöngeredet:
Wer will überprüfen, was die Stadtwerke auf ihre Tafeln schreiben!?
Ist die Ökologie tatsächlich so groß, wie sie geschrieben wird?
Herr Baier hat uns vorgerechnet: 700 Haushalte werden angeblich mit Energie versorgt.
Lass mal alle Herde in der Waldstadt zur Mittagszeit anspringen;
die Biogasanlage ist schnell erschöpft.
Und erneut beginnt die Suche nach einem Ausweg.

Sind die Phantasien des Geistes nicht längst ausgeschöpft!?
Wer denkt heute noch in jenen Fiktionen, mit denen einst Jules Verne
zum Mittelpunkt der Erde und um den Mond reisen wollte,
von menschlichen Kolonien auf dem Mars ganz zu schweigen:
Sciencefiction hat ausgedient;
die Voyager-Mission wird eingestellt.
Die Erdbevölkerung erreicht noch in diesem Jahr die 7 Milliarden-Grenze.

~~~o~~~

Ist das eine Lösung, dass wir uns auf Geistliches beschränken?
Ist das eine Lösung, dass wir die Weltprobleme ignorieren?
Ich gebe zu, es war für mich über viele Jahre eine der angenehmsten Versuchungen:
„Wir leben für den Himmel; die Erde interessiert uns nicht.“
„Politik ist ein schmutzig; Gottes Wille ist Heiligkeit.“

Ich war lange Zeit beeindruckt von dieser frommen Parole,
Politik habe mit Religion nichts zu tun,
wenn wir beten, dann täten wir
die Augen schließen und nach innen gucken,
in die Seele - letztlich in den Himmel hinein.
Gott zieht sich zu sich hin - alles Irdische wird gleichgültig.
So sah für mich lange Zeit Pfingsten aus.

Und dann erschien Roland Reagans Buch gegen die Abtreibung.
In einem christlichen Verlag.
Der diese Trennung propagierte.
Da war es offensichtlich:
Wer die Politik aus dem Glauben heraus halten will,
meint mit Politik nur immer das, wo er selbst dagegen ist.

Oft gehen die Argumente gegeneinander.
Ich kann jeden verstehen, der heute noch sagt:
„Wir wollen in der Kirche kein Parteien-Gezänk.“
„Wir haben eine andere Botschaft.“
Aber der Geist - sagt Jesus - wird euch in alle Wahrheit leiten.
Nicht nur den Durchblick geben im geistlicher Hinsicht:
Auch Klarheit in irdischen Dingen.
Es ist eben nicht so, dass es eine göttliche Wahrheit gäbe,
die jenseits aller Auseinandersetzungen liegt.
Jesu Geist ist all umfassend.
Dringt in jede irdische Ecke ein.

~~~o~~~

„Denn von dem Meinen wird er’s nehmen“, sagt Jesus.
Kennen sie irgendeine Ecke in Ihrem Haus, in der keine Luft ist?
Mag sein, dass das Licht der Flurlampe nicht mehr hinter die Garderobe leuchtet.
Aber die Luft ist auch in der Ritze hinterm Schlafzimmerschrank.
Du wirst jetzt nicht ständig den Schlafzimmerschrank vor rücken.
Aber wenn du es tust, wirst du sehen:
Auch dahinter ist Leben - und Spinnweben.

Versteht ihr:
Gottes Geist dringt jede Ritze hinein.
Die Luft, die uns umgibt - ein Bild für Gottes Geist.
Nichts ist dem Geist ähnlicher als die Luft, die uns umgibt:
Es heißt im Anfang sei der Mensch ein Erdenkloß gewesen.
Aber dann hat Gott tief eingeatmet
und dem Tonzwerg in die Nase geblasen.

Ein lustiges Bild.
Alles ist dran:
Die Finger, die Nase, der Po,
handwerklich geschickt geformt;
aber er bewegt sich nicht!
Da ist kein Blut drin!
Kein Leben.
Und dann pustet Gott.
Und die Puste - das ist der Geist.

An Ostern:
Die Jünger waren ängstlich, eingeschlossen.
Jesus tritt durch die verschlossene Tür:
„Nehmt hin heiligen Geist“, und dann bläst er.
Nimmt ihnen die Furcht.
Schenkt Glauben.
So etwas wie einen Vorschuss.
Aber eben auch: Atem.
Der Geist ist Jesu Atem.

Deshalb find ich es so toll, eine Atemübung zu machen.
Das ist wahnsinnig:
Mit der richtigen Anleitung kannst du
einen klaren Kopf kriegen,
Schmerzen weg kriegen,
grad stehen, die Wirbel aufrichten.
Aber was an Pfingsten passiert, das ist noch um Einiges schärfer als Atemübung.
Das ist mehr als Wellness,
mehr als Therapie.

~~~o~~~

„von dem Meinen wird er's nehmen und euch verkündigen.
Alles, was der Vater hat, das ist mein“
Und: „Er wird mich verherrlichen.“
An Pfingsten wird Jesus neben Gott gestellt.
Und zwar deutlich sichtbar.
Vorher war er ein Mensch.
Und seine Mutter, Maria, hat gewusst: Er ist ein besonderer Mensch.
Sie hatte ja die Nachricht vom Engel Gabriel:
„Das Kind, das in dir ist, das ist vom Heiligen Geist.“
Aber die Menschen wussten das nicht:
„Was kann aus Nazareth schon Gutes kommen?“ Und:
„ist er nicht Josefs und Marias Sohn,
wir kennen doch seine Brüder und Schwestern!“
An Pfingsten wird deutlich: Diese Schar von verrückten Juden,
die sich da auf Jesus eingelassen haben,
dieser schüchterne, verängstigte Haufen,
da fährt Gottes Wind hinein.

Solches Brausen hat man in Jerusalem gekannt.
Zumindest hat man davon gelesen.
Nach der Überlieferung war es eine Feuersäule gewesen
und des Tags eine Wolke - Gottes Gegenwart, in der Wüste.
Und als Mose das Zelt gebaut hatte,
genau wie Gott ihm aufgeschrieben hatte,
da war die Wolke in die Hütte eingezogen:
Gott ist gegenwärtig, die Schechinah.
Als König Salomo den Tempel vollendet hatte,
und zur Einweihung das Gebet sprach,
da sei die Schechinah vom Himmel herab gestiegen:
„Hier wohne ich.“
„Hier bin ich gern.“

Und an diesem Pfingsttag,
kam die Schechina:
nicht in den Tempel - sondern in diesem Haus,
in dem die verängstigte Schar der Jünger saß.
„Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind“
Gottes Tempel, das ist diese Hausgemeinde.
Der Ort, wo meine Ehre wohnt.

~~~o~~~

Und da werden die Gedanken klar.
Petrus streckt sein Rückgrat und tritt aus dem Haus.
Da sammeln sich die Wirrungen in seinem Gehirn
und kristallisieren sich zu klaren Gedanken.
Da geht ein Ruck durch sein Herz
und die Zunge rührt sich:
klare, wohl überlegte
Worte der Erkenntnis.
Versteht ihr: Der Fischer vom See Genezareth,
der Mann, der durch Jesu Glaubensschule gegangen ist,
der Herzensgebildete spricht jetzt klare Worte.

Spricht mit jenem Temperament, das schon oft mit ihm durchgegangen ist,
Spricht mit demselben Mut, den er schon zu Lebzeiten Jesu hatte.
Aber jetzt spricht er klar und deutlich.
Der Geist durchdringt Herz und Verstand.

„Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird,
wird er euch in alle Wahrheit leiten.“
Der Geist war kein spirituelles Erleben.
Er war ein Zeichen am Himmel und im Herzen zugleich.
Und was dazwischen gekommen ist:
Zwischen Erde und Himmel,
das ist die Kirche.
Nicht der Tempel,
nicht das Gotteshaus,
sondern der Ort, wo man klare Gedanken spricht.

~~~o~~~

Der Atem Gottes hat die Gestalt der Wahrheit.
Und Wahrheit ist immer mehr, als wir schon wissen.
Wahrheit überkommt dich, überrascht dich.
Manchmal verbirgt sie sich, wie die Spinnweben hinter der Wand.

Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat;
und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin?
Du kannst nicht alles hinterfragen.
Doch weil ich das zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer.
Du hast genau gespürt, da ist noch etwas.
Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe.
Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch.
Und dann ereignet sich die Wahrheit:
Du hast dir eingeredet, es muss so sein.
Aber jetzt weißt du: Es gibt noch etwas,
das größer ist und schöner als Melancholie und Zufriedenheit.
Anregend für Herz und Verstand
- und so schön, als wäre Jesus selbst bei dir. Amen.

04 Mai 2011

MSo Waldstadt 2010
„Das wird ja immer schöner!“ Erstaunt schaut der Gipser auf. Im Vorbeifahren sehe ich, welche Mühe sie sich geben, um den Neubau schnell fertig zu kriegen. Ich sage nichts darüber, dass mir das Haus an dieser Stelle etwas überdimensioniert erscheint. Die Baugenehmigung haben Andere erteilt. Aber schön wird es im Neubaugebiet. Nicht nur die Fassaden, auch die Gärten erhalten ihren Schliff.

Nicht nur in Neckarburken, auch in der Waldstadt werden Häuser renoviert, neue errichtet, Gärten angelegt. Der Frühling trägt seinen Teil dazu bei: unser Planen wird von der Kraft der Natur unterstützt.

Dabei ist es nicht nur der Wunsch nach Perfektion, der uns zur Schönheit streben lässt. Wir haben ein Bedürfnis nach Schönheit, ein Gespür für das, was vollkommen ist. Der Samen der Heiligkeit ist in uns gelegt. Und auch für das Wachstum sorgt Gott.


Miriam Saß, Pixelio
 Was mir manchmal Sorge bereitet: Dass Menschen im „klein-klein“ bleiben und sich eine „Arme Sünder“-Mentalität aneignen. Das ist nicht Gottes Wille. Klar: wir werden nie perfekt werden. Und wenn wir uns versteigen, sorgt schon die Natur für die nötige Demut. Aber dass es schöner wird, dass wir unser Umfeld pflegen, das liegt durchaus in der Fluchtlinie Gottes, der uns auch dazu ermutigt.

„Das ist Gottes Wille, eure Heiligung“, der Satz aus einem der ältesten Briefe des Apostels Paulus gehört zum Urgestein unseres Glaubens. Schöner werden, wie das grüne Laub eines Baumes. Nicht höher, nicht größer, sondern intensiver. Dazu kann nicht nur der Frühling uns führen: Der Geist weht zu allen Jahreszeiten.

24 Februar 2011

„Mose meißelt Maßstäbe“. Geistlicher Narrenspiegel in Kurzform

Narrentreiben allenthalben. Lasst uns Glaubensnarren sein!

Mit Talaren und mit Alben sehn wir in den Spiegel rein.



Was in unsrer Welt passierte, mancher gerne kommentiert.
Unsren Worten fehlt die Würde, wenn die Tugend man brüskiert.

Sprecht vom Glauben, sprecht vom Leben, von der Sünde, vom Vergeben,
doch vergesst den Maßstab nicht, wonach Gott uns ausgericht’t!

Mose meißelte in Stein Maßstäbe für’s Leben ein.
Doch am Anfang stand der Geist, der die Freiheit uns verheißt.

Aus der Sklaverei geführt, aus der Not die sie berührt,
das stand für sie vornean. Heute wird das abgetan.

Freiheit, sagt man, gäb es nicht. Setzt dagegen stets die Pflicht,
sich mit Unrecht auszusöhnen, an den Kompromiss zu g’wöhnen.

Dass Gebote funktionieren, wenn wir uns nicht mehr genieren
Freiheit radikal zu denken, keinen Menschen einzuschränken,
auch durch die Gebote nicht: Dann verwandelt sich die Pflicht
in ein unbändiges Streben nach dem Gottgeschenkten Leben.

Das ist geistlich, das ist Freude, wenn die Zehn Gebote heute
Ehr und Anstand uns bescheren statt ins Gegenteil zu kehren,
was Gott eigentlich gedacht, als die Tafeln er gemacht.

Als vor einem Jahr genau eine sehr beliebte Frau
nach dem zweiten Gläschen Wein mit dem Auto kehrte heim,
hielt die Polizei sie an, unversehens war sie dran.

Sie ist dann zurückgetreten hat die Würde abgegeben,
das war ehrbar, das war klug. Das war vorbildhaft genug.

Denn die Würde kehrt zurück, nimmst du klar in deinen Blick,
wo ein Fehltritt dir geschah, und die Konsequenzen ziehst,
nicht auf eignen Vorteil siehst, ist auch die Vergebung nah.

Wenn du falsche Schlüsse ziehst und berechnest deine Reue;
in geübter Bauernschläue vor dem Volk zu Kreuze kriechst:

Merke: Gott lässt sich nicht blenden. Wage nicht, ihn zu verwenden
als Vergebungsautomat. Strafe folgt dir auf die Tat:

Das Vertrauen ist zerstört, deine Ehre nichts mehr wert.
Dann hilft auch der Geist nichts mehr. Und die Freiheit wird dir leer.

Drum beginne, zu studieren, und das Leben zu riskieren.
Wenn den Spiegel du betrachtest, schau dass du den Maßstab achtest!