02 Juni 2009

Haus

"Hauskreise versammeln sich in häuslichem Rahmen als informelle Gruppe mit einer recht stabilen Zahl von Teilnehmern und zwar in einem dichten zeitlichen Rhythmus on ein oder zwei Wochen. Sie pflegen mit Singen, Beten, gemeinsamem Lesen biblischer Texte und Aussprache darüber ein eigenständiges Ritual, das bei aller Verschiedenheit deutlich an gottesdienstliche Vorbilder der evangelischen Kirche oder protestantischer Freikirchen angelehnt ist."
(Richard Reininghaus, Die hausgemachte Religion. Kommunikation und
Identitätsarbeit in Hauskreisen, Tübingen, 2009, S. 207).

Eine funktionale Definition von Religion lässt Hauskreise verstehen als Orte lebendigen, persönlichen Suchens nach einer christlichen Identität. So beschreibt es Richard Reiningheus in seiner Dissertation. Er hat als ehemaliger Dekan im Ruhestand württembergische Hauskreise mit religionssoziologischen Mitteln untersucht, greift ausführlich auf die ansätze von Hubert Knoblauch und anderen zurück, und bringt dem Phänomen schließlich eine große, wenngleich kritische Sympathie entgegen.

Als Kreise sind sie grundsätzlich abgeschlossen, befassen sich jedoch in der Regel mit einem außerhalb ihrer Spiritualität befindlichen „Extra Nos“ eines Textes - manchmal auch eines Themas. Bei aller - geschichtliche gewordenen (Hauskreise entstanden ursprünglich im Rahmend er evangelischen Akademikerschaft) - spirituellen Einseitigkeit, und trotz der Marginalität seiner Erscheinungsweise (321) kann dieses Phänomen zu einem Faktor der Belebung von Kirche um Umbruch werden. Es darf allerdings nicht im Interesse pastoraler Macht marginalisiert oder durch religiöse Rationalisierung ins Häretische abgedrängt werden (319)!

Potentiell haben Hauskreise Anteil an dem, was die Aufklärung mit dem „Ausgang aus selbstverschuldeter Unmündigkeit“ intendiert hat. Diese Rolle ist erst noch zu evaluieren. Reininghaus wehrt sich gegen eine schnelle Identifikation von Hauskreisen mit den Hausgemeinden der Urchristen (226f; er spricht hier mit Johannes Zimmermann, Habil. Greifswald 2006, von „Urchristentumsromantik“) wie mit der anachronistischen Gleichsetzung mit der bürgerlichen Familie (227). Sie sind eine Schule des Denkens und des Diskutierens, erlauben gerade in einer ausgeprägten Gesprächkultur die in der Moderne so sinnvolle Tendenz zur Häresie (Luhmann) und sind grundsätzlich als Schule der Emanzipation zu verstehen, wenngleich sie sich nicht kirchlich vereinnahmen lassen.

Die Frage, ob Hauskreise Abendmahl feiern, wurde von der Württembergischen Synode im Juli 2005 negativ beschieden; sie bleibt jedoch in der Praxis offen (170).

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