06 Juli 2009

Erweiterung der Milieuperspektive

Mit den Milieuforschungen von Schulze und vor allem den Studien des SINUS-Instituts habe ich mich bereits in meiner Magisterarbeit zum Abschluss des EB-Studiums im Jahr 2003 befasst. Dass kirchliches Handeln zwei Drittel unserer Gesellschaft ausblendet und sich im Wesentlichen in drei der elf Milieus wiederfindet, wird sowohl von evangelischer als auch von katholischer Seite mit unterschiedlichen Schlussfolgerungen problematisiert. Milieubeschreibungen dürfen allerdings keine statischen Festlegungen bewirken; sie haben heuristischen Charakter als Orientierungshilfen. Die zunehmende Verarmung im Zuge der Finanzkrise und die schnelllebige Transformation gesellschaftlicher Werte erfordern eine ständige intensive Aktualisierung. Angesichts des damit verbundenen hohen Forschungsauf-wands erscheint mir ein Ergebnis aus den Beobachtungen der Frankfurter Empirischen Theo-logie wichtig:
Da Milieus keine festen Gruppen darstellen, driften die Befragten möglicherweise allein auf Grund der religiösen Fragestellung in ein anderes Milieu. Dass Menschen ihr Sprachspiel und den damit verbundenen Wertekanon spontan verändern, sobald sie auf religiöse Themen angesprochen werden, hat sich in Umfragen zur religiösen Alltagskultur (Empirische Theologie) gezeigt. Professor Lienhardt wies auf eine entsprechende Studie aus Frankreich hin: mit zu-nehmender Kirchen-Distanziertheit werden die Muster konservativer. Auf jeden Fall verän-dern sich die Menschen mit der religiösen Fragestellung der Befragung. Ich ziehe daraus eine doppelte Schlussfolgerung:

  1. Religionssoziologische Befragungen konstruieren möglicherweise ein andere Zusammensetzung, oder sogar ein neues Spektrum gesellschaftlicher Milieus.
  2. Religiös befragt geben die Menschen andersartige Auskünfte; so kommt es im Subjekt zu Divergenzen zwischen religiöser und nichtreligiöser Alltagskultur.

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