06 Juli 2009

Parallaxe

Neue Philosophische Ansätze am Horizont der Theologie
Parallaxe ist das Zauberwort, mit dem Slavoj Žižek durch die Geschichte des Geistes und der Theologie zieht. Das Buch erhielt ich kurz vor Beginn des Kontakstudiums und werde es noch weiter lesen. Hier begegnet mir ein philosophischer Ansatz, der die wertvollsten Denk-bemühungen des Christentums auswertet und mit einem neuen Modell der Paradoxie er-schließt. Slavoj Žižek ist einer der vier Denker, der sich - neben Badiou, Agamben und ande-ren mit der Theologie des Apostels Paulus auseinandersetzt. Ich fand es anregend, dass Professor Schwier an der Universität Heidelberg auf diese modernen Ansätze aufmerksam macht.
Fasziniert bin ich davon, dass Žižek Denktraditionen aufnimmt, die ich bisher eher für kon-servativ hielt - zudem mit einem erstaunlichen philosophischen und theologischen Humor. Platons Höhlengleichnis transformiert er in eine Welt aus lauter solcher Höhlen: „der wahre Mythos ist gerade die Vorstellung, dass es außerhalb des Schattentheaters so etwas wie eine ‚wahre Realität’ oder zentrale Sonne gäbe“ (133). Die Absurdität des Atheismus schildert er mit der anekdotischen Fiktion, Nietzsche ergänze seinen Satz „Gott ist tot“ mit der Bemer-kung „Und übrigens, mir geht es auch nicht so gut…“. (116) Erlösung denkt er als „die christ-liche Kommödie … dass ein transzendeter Gott ein glückliches Ende garantiert.“ (117) Ange-sichts der Shoah reflektiert er die Banalität eines moralistischen Gottesbildes (118) und der Theorie der göttlichen Selbstbeschränkung (119) stellt er den leidenden Gott gegenüber als Ausdruck „eines Kampfes, in den das Absolute selbst verwickelt ist“ (121). Mit der Philoso-phie des dialektischen Materialismus stellt sich Žižek die Aufgabe, „den Grund der Spaltung von Gut und Böse in Gott selbst anzusiedeln und dabei dennoch im Feld des Monotheismus zu bleiben“ (120).
„Die allgemeine Definition der Parallaxe lautet: die scheinbare Verschiebung eines Objekts .. durch einen Wechsel der Beobachterposition, der eine neue Sichtlinie schafft.“ (21) Žižek beschreibt das Phänomen als einen „Tic“, der zwischen zwei gegensätzlich erschei-nenden Denkbewegungen steht und diese in der gegebenen Paradoxie zusammenhält. Menschliche, christliche Freiheit kann nur in der Bestimmung durch Natur, Trieb oder Vorse-hung sein, Sünde und Erlösung, Gesetz und Evangelium, ja gar theologisch zentrale Abstrak-tionen wie die Zweinaturenlehre (und die Trinität) können nur in ihrer scheinbar widersprüch-lichen Doppelung stehen bleiben.

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