18 Juli 2009

Paulus - der erste Moderne Christ

1. Nulloption „Windmühlen“

Liebe Gemeinde,

den Ritter von der traurigen Gestalt kennen Sie: Vielleicht als Comicfigur, aus Filmen, manche sogar aus den beiden Büchern, die Miguel Cervantes geschrieben hat: Don Quichotte.

Erzählt von einem modernen Menschen, der sein Leben selbst in die Hand genommen hat. Er hat sich zu einem originellen Lebensentwurf entschieden: anhand der Ritter-Romane, die er gelesen hat. Er wollte so gern ein Ritter sein. So ließ er sich eine Rüstung anpassen und seinem Klepper auch einen Satz Beinschienen. Und dann zog er hinaus in die Welt, um gegen andere Ritter zu kämpfen, die es nicht mehr gab.

Am Ende fand er dann noch einen einzigen, der mit seinen vier Sicheln durch die Luft fuchtelte: Don Quichotte kämpft mit den Windmühlen.

Paulus ist kein Don Quichotte gewesen. Paulus war ein Moderner von anderer Qualität. Ihm hab ich meine Predigt zum Paulus gewidmet: „Paulus - der erste moderne Christ.“

2. Paulus ist uralt

  • das erste Mal, dass Paulus in der Bibel auftritt, steht er auf der anderen Seite. Es heißt, er sei dagestanden und habe die Kleider der Menschen bewacht, die den Diakon Stephanus gesteinigt haben. Stephanus war Armenpfleger der jüdischen Christenge-meinde. Er war unbeliebt bei jenen Juden, die nicht an Jesus glaubten. Sie hatten sich zusammengerottet und ihn zu Tode gemobbt. Und es heißt, dass Stephanus, kurz bevor er unter dem Hagel von Steinen starb, über sich den Himmel offen stehen sah.
  • auch Paulus hat den Himmel offen gesehen. Er war in Rage geraten und wurde an-gehalten. Die Vernichtung der jüdischen Sekte wollte er weiter führen: Mit Ermächtigungsbriefen ist er nach Damaskus geritten, um dort die Christen in die Schranken zu weisen. Kurz vor Damaskus kam Christus über ihn. Die einen sagen, es war ein helles Licht, die andern hörten eine Stimme und sahen nichts. Saulus, wie Paulus damalsnoch hieß, fiel geblendet vom Pferd. Es brauchte einen ehrenwerten Ältesten aus Damaskus, der ihm die Hände auf legte, und die Blindheit vollkommen heilte.
  • die Tragik seines Lebensgeschicks läst sich am besten mit einer Geschichte beschreiben: Als Jude wurde Paulus angeklagt, weil er Nichtjuden in die Gemeinschaft hineinließ. Er sollte zum Tode verurteilt werden, da brachte er seine zweite Identität ins spiel: Ich bin nicht nur Mitglied des Jüdischen Volks; ich habe auch die römische Staatsbürgerschaft - Gerettet vom Galgen musste er jetzt als Gefangener des Kaisers nach Rom reisen. Diesem Umstand verdanken wir eine der schönsten Seemannsgeschichten in der Heiligen Schrift. Mit dem Schiff wurde er nach Rom expediert, hat als Gefangener Schiffbruch erlitten, wurde auf Malta gerettet, erreichte die kaiserstadt. Wahrscheinlich ist er als Gefangener, oder kurz nach seiner Freilassung in Rom gestorben.
  • "eingekerkert und doch frei", das ist typisch Paulinisch: Einmal sogar, da erschütterte ein Erdbeben sein Gefängnis. Paulus hatte die Freiheit, im Gefängnis zu bleiben. Als Gefangener hat er einige der schönsten Texte geschrieben, die uns in der Bibel überliefert sind.

3 Zenit der Zeit

Petrus war vor ihm gewesen. Der schwankende Felsen auf den Jesus seine Kirche bauen sollte, hatte zuerst erkannt, was eigentlich schon immer Gottes Ziel gewesen ist: dass auch Nichtjuden zu Gott kommen dürfen. Petrus hatte jene Vision von unreinen Tieren, die in einem Leintuch vom Himmel herab gelassen wurden. „Was ist als rein erklärt habe, das sollst du nicht für unrein befinden“, hatte die Stimme Gottes erklärt. Petrus hatte Gemeinschaft mit Heidenchristen. Aber dann hat er geschwankt, als seine früheren Freunde kamen. Sitte und Brauchtum und das geschriebene Gesetz waren ihm wichti-ger. Paulus hat ihn kritisiert: Neue Zeiten fordern neues Denken. Bei Gott ist nichts unmöglich. Alte Gräben werden überbrückt. Unser Glaube ist innovativ.

Während Petrus die Treue zur Thorah festhielt, waren für Paulus die neuen Menschen wichtiger: Menschen-Treue statt Buchstabentreue, das macht lebendigen Glauben aus.

Paulus ist kein Don Quichotte.
Paulus übersetzt den Glauben in die neue Welt
Und bündelt damit die alten Kräfte in einer neuen Ausrüstung.

Er transformiert in einem neuen Anlauf ein altes Thema und schreibt im 1. Korintherbrief:

Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. Wir würden dann auch als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt hätten, er habe Christus auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, wenn doch die Toten nicht auferstehen. Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden. (15, 14-16)

4 Versuch eines Axioms

Ein Gedicht illustriert die Zaghaftigkeit dieses Glaubens (CD "Auferstehung" von Janus)

  • Alles beginnt von vorn:

    Die Trauer, die uns lähmt
    das Leiden, das uns zähmt
    die Lügen, die uns brechen
    die Illusionen, die Versprechen
    die große Hoffnung, die sich nie erfüllt
    ein ferner Gott, der sich in Schweigen hüllt
    das lange Warten auf den neuen Tag
    ein trübes Zwielicht, das nie enden mag.

    Das Hoffen und das Sehnen
    die Trauer und die Tränen
    das Trennen und das Scheiden
    die Lügen und das Leiden
    das Stolpern und das Fallen
    das Klammern und das Krallen
    die Masken und das Lachen
    alles, alles beginnt von vorn.

    Der Phönix steigt aus der Asche
    schwingt sich hinauf ans Licht
    Seine Federn fangen Feuer
    sein Leib zerbricht.

    Der Phönix steigt aus der Asche
    thront hoch oben auf dem Lügenberg.
    Sein Tod, ein grelles Feuerwerk.
    Wir feiern unsere Auferstehung...

5 Aufstand als Auferstehung

  • was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? - heißt es im 8ten Psalm
  • merk auf mein Schreien, vernimm mein Gebet von Lippen, die nicht trü-gen. - betet der 17te Psalm und fährt dann fort:
  • Behüte mich wie einen Augapfel im Auge, beschirme mich unter dem Schatten deiner Flügel vor den Gottlosen, die mir Gewalt antun, vor meinen Feinden, die mir von allen Seiten nach dem Leben trachten.
  • Warum verfolgt ihr mich wie Gott und könnt nicht satt werden von mei-nem Fleisch? - klagt der Dichter im Buch Hiob, und er fährt fort:
  • Ach daß meine Reden aufgeschrieben würden! Ach daß sie aufgezeich-net würden als Inschrift, mit einem eisernen Griffel in Blei geschrieben, zu ewigem Gedächtnis in einen Fels gehauen!

So hat sich der Glaube an eine Auferstehung in jüdischer Zeit schon entfaltet, wurde allmählich zu einer Erkenntnis, die unabwendbar geworden ist.

  • Aber ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und als der letzte wird er über dem Staub sich erheben. Und ist meine Haut noch so zerschlagen und mein Fleisch dahingeschwunden, so werde ich doch Gott sehen. Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.

Der alte Simeon im Tempel hat diese Hoffnung aufgenommen, als er den neugeborenen Jesus auf die Arme nahm.

  • Nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.

Und im Buch Hesekiel entwickelt sich daraus eine regelrechte geistvolle Phantasie, die an die Praxis der Taufe erinnert:

  • Ich will reines Wasser über euch sprengen, daß ihr rein werdet; von all eurer Unreinheit und von allen euren Götzen will ich euch reinigen. Und ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein flei-schernes Herz geben. Ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und danach tun.

Und in der Vision vom Totenfeld beschreibt er in surrealistischer Manier:

  • ich weissagte, ... Da kam der Odem in sie, und sie wurden wieder leben-dig und stellten sich auf ihre Füße, ein überaus großes Heer. Und er sprach zu mir: Du Menschenkind, diese Gebeine sind das ganze Haus Is-rael. Siehe, jetzt sprechen sie: Unsere Gebeine sind verdorrt, und unsere Hoffnung ist verloren, und es ist aus mit uns. Darum weissage und sprich zu ihnen: So spricht Gott der HERR: Siehe, ich will eure Gräber auftun und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf und bringe euch ins Land Israels.
    Da wird die Hoffnung von Individuen mit der Hoffnung des ganzen Volkes zusammen-gerückt.

6 Das Gelächter der Verächter

Nicht Rechthaberei, sondern Glaube.
Nicht Logik bestimmt diese Wissenschaft, sondern Geist.
Kein weltumspannendes Gedankengebäude,
sondern Versuch und Irrtum prägen das Denken.

Nicht Statik, sondern Bewegung.
Nicht Dogmatik, sondern Anbetung.
Nicht die Vergangenheit, sondern ein lebendiger Geist,
nicht Ordnungen sondern Phantasie schafft neues Leben.

Kein Behaupten, sondern Denken.
Kein Berechnen, sondern Schenken.

Als Paulus auf dem Tempelberg der griechischen Hauptstadt Korinth von seinem Glau-ben an die Auferstehung anfing, da ließ man ihn vornehm-freundlich abblitzen:
„Wir wollen dich ein andermal darüber anhören“, hieß es ironisch;
Auf deutsch: „Was du da sagst, ist doch ein wenig verrückt;
wir haben im Moment keine Lust, uns damit zu beschäftigen.
In das Weltbild der Philosophie passt Auferstehung nicht.
Das sollten auch wir uns ganz hübsch zu Herzen nehmen.
Auferstehung ist keine Theorie, sondern eine Hoffnung,
die auch der intellektuellen Ironie widersteht:
eine Hoffnung, die weiter trägt,
über den Horizont hinaus.

Eine durch und durch moderne
Schau von dir selbst
und von der Welt.

Nicht das Gelächter der Verächter bestimmt dein Leben.
Gott will dir neue Hoffnung geben.

Nicht das Gelächter der Verächter bestimmt dein Leben.
Gott will dir neue Hoffnung geben.

7 Vom Frust zur Freiheit

Dein Leben beginnt mit deiner Geburt.
Und es endet mit dem Tod.
Schule und Kindergarten,
Hochzeit und Konfirmation,
Karriere und Berufsausbildung sind Stationen auf einem natürlichen Weg.
Und wenn du über die Fünfzig bist, wie ich, macht die Depression sich breit:
„Ist das schon Alles gewesen!?“

Dabei war es doch immer ein Abenteuer gewesen, ob du überhaupt
das Klassenziel erreichst, die Abschlussprüfungen bestehst,
die Stelle erhältst, die Arbeit fristgerecht ablieferst.
Stationen in der Lebenszeit, die uns Spannung
und allzu oft auch Frust bereitet haben.

Mit der Auferstehung kommt ist neue Zeitansage in dein Leben eingetreten.
Du lebst nicht nur „von der Wiege bis zur Bahre“.
Du lebst von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Du schuftest nicht nur für den Augenblick,
du lebst aus einer Kraft, die den Moment übersteigt.
Und wenn du einmal gescheitert bist,
dann gibt es immer eine zweite Chance, eine dritte, eine Vierte.
Nach jedem kleinen Tod bietet sich ein neues Leben.

Auferstehung meint nicht in erster Linie, dass nach dem Sterben
irgend etwas weiter geht - doch das auch,
aber Auferstehung heißt in aller erster Linie,
dass dieses Leben eine Chance erhält,
dass ein Scheitern nie das Ende ist
und dass Gott auch die schönsten
Momente noch verfeinert.

Amen.

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